Stell Dir vor, Du müsstest fliehen! (Jimmie)

Von Marina Wahl

Lieber ein Schrecken mit Ende, als ein Schrecken ohne Ende. Der Film „Jimmie“ von Jasper Ganslandt kann mit diesen Spruch aufgegriffen werden. Er handelt von einer fiktiven Fluch eines schwedischen Jungen aus seinem im Krieg stehenden Heimatland, Schweden. Innerhalb des Werkes werden die konkreten Umstände für den Krieg nicht näher beleuchtet. Allerdings soll dieser kriegerische Konflikt nicht den Mittelpunkt der Handlung bilden. Der Fokus liegt auf der Flucht von Jimmie, gespielt von Hunter Louis Ganslandt, und seinen Erlebnissen, die er während dieser erlebt. Die Handlung kann mit jeden Konflikt der jüngeren Geschichte in Einklang gebracht werden. Aus diesem Grund ist es nicht verwunderlich, dass auf der Webseite vom Filmfest Osnabrück steht: „Ist das Mitgefühl größer, wenn die Gesichter der Hilfesuchenden weiß sind?“ Daher wirft sich auch die Gegenfrage auf: Ist es rassistisch, wenn dieser Film nicht zu den Meisterwerken ihrer Zeit gezählt wird?

Der Film kann als ein zweischneidiges Schwert bezeichnet werden: Gar jede Komponente – Kameraführung, Handlung, Musik – weist ihre Stärke auf, die sie jedoch im selben Moment durch eine gravierende Schwäche überdeckt. Die Kameraführung ist hektisch, verwackelt und an vielen Stellen unscharf. Als stilistisches Mittel angedacht, um die Sicht und Gefühle des Jungen auf den Zuschauer zu übertragen, werden Minuten mit diesen Einstellungen gefüllt. Es ist kompliziert, gar unangenehm dem Film aufmerksam zu folgen. In diesen Momenten verliert Jimmie den Zuschauer. Noch einmal unterstrichen wird es dadurch, dass es durch die unhandlichen Kameraeinstellung schier unmöglich erscheint, den Ziehvater von Jimmie von dem „leiblichen“ Vater zu unterscheiden. Jedoch weist die Kamera auch ihre Stärken auf: So liegt der Fokus stets auf den Gesichtern der jeweiligen Figur. In solchen Momenten hat „Jimmie“ seine wenigen guten und eindrucksvollen Momente. Der Junge wächst dem Zuschauer schnell ans Herz; die Verzweiflung, als er seinen Vater auf der Flucht verliert, ist greifbar. Die restlichen Figuren verblassen neben den schauspielerischen Leistungen des Vierjährigen, der mit eindrucksvollen Gesichtsausdrücken seine Verzweiflung, Angst und auch Unwissenheit preisgibt.

Da der Film die Sicht des Jungens wiedergibt, weiß der Zuschauer meist nur so viel, wie der Protagonist. Dies erweist sich an vielen Stellen als problematisch: Die Handlung des Films folgt keiner Chronologie, sondern ist durch viele harte Schnitte zerstückelte. In der einen Minute befindet sich Jimmie in den Händen einer uns unbekannten Familie, einen Schnitt später ist er mit seinem Vater in einem Grasfeld zu sehen. Schnell hat sich ein Gefühl des „Wusste der Regisseur sicher, welchen Auftrag er hier dem Schnitt erteilte?“ eingestellt, welches durch einen Kommentar der Produzentin noch einmal unterstützt wurde: Der Film, in seiner Gänze und seiner Handlung, sei erst im Schnitt entstanden. Dies ist dem Film anzumerken. Und so bildet sich zum Schluss nur ein Gedanke: Der Film ist ein Schrecken mit Ende, obwohl er eine Thematik aufweist, die zumeist für die Betroffenen ein Schrecken ohne Ende ist.

Jimmie, Schweden, 2018, Drama, Jesper Ganslandt, 91 Minuten, Hunter Ganslandt, FSK ?.

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